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Kleine Reihe von Marburg, Band 2: Der historische Hirsefeldsteg in Marburg an der Lahn, 1913 - 2010 Verkaufspreis: 4,00 Euro 56 Seiten, Format DIN A5, 20 Abbildungen
InhaltsverzeichnisVorwortKapitel 1 - Errichtung des Hirsefeldsteges im Jahr 1913 Baujahr des Steges war in Vergessenheit geraten - Bauherr war der Marburger Spar- und Bauverein e.G.m.b.H. - Der Steg über die Lahn wurde zügig gebaut Kapitel 2 - Familie Hensel "Gertrud-Hensel-Stiftung" - Geheimrat Professor Dr. Kurt Hensel - Die Vorfahren der Familie Hensel - Gründung einer Stiftung - Das Ziel "Errichtung eines Volksparks" wird nicht erreicht Kapitel 3 - Verlängerung des Steges 1924 zum Trojedamm hin Stärkere Nutzung des Steges bringt Verschleiß - Der Bestand des Steges ist in Gefahr - Verlängerung für den Akademischen Olympia 1924 Kapitel 4 - Der Steg ist immer wieder reparaturanfällig Pfeilererneuerungen und Balkenaustausch - "Hensel-Steg" wird als offizieller Name vorgeschlagen - schwierige Kriegs- und Nachkriegsjahre - Der Holzpfeiler wird 1947 durch einen Betonsockel ersetzt - Umfassende Erneuerung im September 1950 - Stufenlose Auffahrt ersetzt Treppenstufen Kapitel 5 - Diskussionen um Abriss und Neubau Betonbrücke wird vorgeschlagen als Ersatz Die Bezeichnung "Hirsefeldsteg" wird offiziell - Eine Radfahrer-Lobby wird für den Abriss des Steges und einen Neubau aktiv Kapitel 6 - 2006 wird der Steg Kulturdenkmal Dennoch Abriss Bürgerversammlung im Jahr 1998 - 2006 wird der Hirsefeldsteg Kulturdenkmal Anhang Kurzhistorie der vier Marburger Lahnstege - Die Geschichte der Holzstege war bisher ungeschrieben - Marburg dehnt sich aus - Der Schülerparksteg - Der Gaswerksteg - Der Pioniersteg - Der Name "Schwarzer Steg" ist historisch besetzt Literaturverzeichnis und Fotonachweise TextprobenVorwort zur 1. und 2. Auflage Im Herbst 2009 wurden in Marburg zwischen dem Universitätssta-dion und der Straße "Auf der Weide" Fundamente gegossen für einen seit 1998 geplanten neuen Steg aus Beton und Eisen. Der Neubau sollte an die Stelle des historischen Holzsteges treten. Damit war der Kampf der zahlreichen Marburger Bürgerinnen und Bürger, die den alten Hirsefeldsteg in ihr Herz geschlossen hatten und das Kulturdenkmal erhalten wollten, zwecklos geworden. Der Entschluss des Autors, die Geschichte des Holzstegs zu erforschen und in einer Broschüre zu dokumentieren, fand unerwartet großen Widerhall. Eine zweite Auflage wurde notwendig. In den Akten hatte der Autor Neues gefunden und Verschüttetes wieder ausgegraben. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Forschungsergeb-nisse die notwendigen Korrekturen zu bisherigen unrichtigen offi-ziellen Angaben zum Hirsefeldsteg nach sich ziehen werden: Bau-jahr, Bauherr, Finanzierung und die Angabe, der Steg sei von Pio-nieren erbaut worden, sind davon betroffen. Der Steg wird nach Abriss in die unrühmliche "Liste der zerstörten Denkmäler von Marburg" aufgenommen werden müssen. Ambition dieser kleinen Schrift ist es, die Erinnerung an den letzten der einstmals vier alten Holzstege über die Lahn in Marburg zu erhal-ten. Nach Erscheinen der 1. Auflage gab es viele Kontakte mit Zeitzeugen. Sie zeigten nicht nur das Interesse, sondern konnten auch zu kleineren Ergänzungen des Textes beitragen. Zugunsten einer flüssigeren Lesbarkeit ist in den einzelnen Kapi-teln auf die Quellenangabe der Zitate und Bezugsorte der Informa-tionen sowie auf Fußnoten verzichtet worden. Die Quellen sind am Ende des Bandes gebündelt aufgeführt. Der Dank des Autors gilt einer Reihe Mitarbeitern in den Ämtern, die auf die zahlreichen Nachfragen bereitwillig eingegangen waren und die Dokumentation der Forschungen unterstützten. Marburg, im Jahre 2010 Der Autor Kapitel 1
Das Baujahr des Steges war in Vergessenheit geraten
Seit Jahrzehnten wurde in den offiziellen Mitteilungen des Magist-rats und der Ämter der Stadt Marburg sowie in den Berichten der lokalen Presse jeweils als Baujahr des Hirsefeldsteges das Jahr 1920 angegeben. Ebenso wurden in historischen Marburger Bild-bänden für Fotos des Hirsefelds mit Oberstadt und Schloss, auf denen der Hirsefeldsteg noch nicht erbaut ist, Jahreszahlen zwischen 1915 und 1920 genannt.
Mit diesem Vermerk ist das über Jahrzehnte immer wieder ange-gebene "Baujahr 1920" für den Hirsefeldsteg Legende und eine Korrektur unvermeidlich. Eine Aufklärung, wie es dazu kam, dass von der Stadt Marburg eine falsche Jahresangabe für den Stegbau der Öffentlichkeit weitergegeben wurde, dürfte kaum gelingen. Blättert man in den Akten zurück, so kommt es schon im Jahr 1950 zu einer nicht korrekten Zeitangabe für den Bau der Brücke. Als im Jahr 1950 umfangreiche Reparaturarbeiten am Hirsefeldsteg unternommen werden mussten, hieß es in dem Bericht der "Marburger Presse" vom 30. September (vgl. S. 35), dass die Er-neuerungsarbeiten zu dem "nach dem 1. Weltkrieg" errichteten Steg beendet seien. Herausgeber der Zeitung war Hermann Bauer, ein anerkannter Zeitungsmann mit großem lokalhistorischen Wissen. Der kurze Bericht dürfte wahrscheinlich sogar von Hermann Bauer selbst verfasst worden sein. Warum ihm dieser Feh-ler unterlief, muss unbeantwortet bleiben. Die falsche Aussage jedoch blieb den Marburgern erhalten. Der Verlust des tatsächlichen Baudatums bereits nach knapp vierzig Jahren kann als ein Tribut an die Wirren der Zeitläufe gewertet werden: der 1. Weltkrieg, die Notzeiten der 20er Jahre, die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, der 2. Weltkrieg und vor allem die Mangeljahre nach 1945 waren nicht spurlos geblieben. Die Marburger und die Angestellten in den Ämtern hatten offenbar andere Sorgen als die Suche nach korrekten Jahreszahlen. Ansichtskarte von 1900: Blick von der Bismarckpromenade auf die verschneite Stadt. Der "Kleine Kämpfrasen" (heute: Weide) ist noch unbebaut. Selbst das Grüner Wehr liegt im Eis. (Sammlung Karl-Heinz Gimbel) Marburger Spar- und Bauverein war Bauherr Die Idee, einen Steg über die Lahn zwischen dem "Kleinen Kämpfrasen" (heute: "Auf der Weide") und dem Hirsefeld zu errichten, dürfte Anfang 1912 entstanden sein. Auf der kleinen Insel, südlich des Grüner Wehrs gelegen, hatte die Stadt Marburg nach 1900 begonnen, den Bauhof zu errichten. Dieser war vorher in der Straße "Am Grün" angesiedelt gewesen. Aber schon bald gab es in der Bevölkerung Bestrebungen, den Bauhof wieder zu verlegen. Den 1868 gegründeten Marburger Verschönerungsverein störten insbesondere - beim damals noch freien Blick von der Bismarckpromenade auf die Altstadt - die Bauhofbaracken auf der Lahninsel. Es sei doch besser, wenn dort statt des Bauhofs eine Grünanlage entstehen würde. Ein Universitäts-Spielplatz und ein Militär-Bad waren bereits auf der Insel angesiedelt. Die Idee eines Jugendspielplatzes und eines Volksgartens war von dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates des Marburger Spar- und Bauvereins e.G.m.b.H., Professor Dr. Friedrich André, geradezu enthusiastisch aufgenommen worden. Professor André, eini-ge Jahre zuvor von Berlin nach Marburg gekommen, hatte sich umgehend lokalpolitisch in der Stadt engagiert. So hatte der Professor der Rechte schon in den Jahren 1902 bis 1904 federführend für den akademischen Lehrkörper der Philipps-Universität tatkräftig die Errichtung des Bismarckturms vorangetrieben. Vor seiner Tätigkeit in Marburg hatte er schon in Berlin und Göt-tingen Baugenossenschaften ins Leben gerufen und geleitet. Er sah sich aufgrund seiner engagierten sozialen Einstellung veran-lasst, dazu beizutragen, auch die Wohnverhältnisse in Marburg besser zu gestalten. Den Gründungsaufruf des "Spar- und Bauvereins, Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht" wird er nicht unwesentlich beeinflusst haben. Auf der Gründungsversammlung des Vereins am 12. Februar 1907 wurde André von den 107 An-wesenden zum Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt. In der Folgezeit wurde von dem Verein mit großem Erfolg das Ziel verfolgt, hauptsächlich Familien mit bescheidenem Einkommen billige und gesunde Wohnungen zu schaffen. Der Marburger Spar- und Bauverein begann mit seinen Wohnbau-ten im Afföller und war nach 1910 an Entwicklungen im Bereich des Ortenbergs und im Südviertel beteiligt. Die Erinnerung daran, dass sich der Verein neben dem Ziel der Errichtung von günstigem Wohnraum in Marburg auch eingesetzt hatte für einen Erho-lungs- und Jugendspielplatz, war jedoch dem Verein verloren gegangen. Sämtliche Akten waren im Jahr 1945 durch Kriegsschäden beim Brand des Vereinsbüros im Afföller zerstört worden. Zugleich mit dem Wunsch eines Volksparks war die Idee entstanden, als Zugang zu dem Park von Osten her einen Steg über die Lahn zu errichten. Jenseits der Lahn lag das noch unbebaute Hirsenfeld (ab etwa 1924 "Hirsefeld" genannt). Um einen kürzeren Zugang für die Bewohner von Weidenhausen zu dem geplanten Steg und dem Volkspark auf der Weide zu schaffen, sollte zusätzlich ein Zugangsweg entlang der Lahn sowie eine Wegeverbindung zur Cappeler Straße (Bahnübergang) geschaffen werden. Abb.: Gesamtansicht des Hirsefeldsteges (Foto 2008) Für die Vollendung dieser Ideen fand sich mit Professor Dr. Kurt Hensel ein vermögender Spender. Hensel war von der Idee begeistert, für die Marburger Bevölkerung einen Jugendspielplatz und einen Volksgarten ("wertvollen Spiel- und Schmuckplatz") zu errichten. Er wollte die Idee verwirklicht sehen und begründete mit seiner Frau am 9. Mai 1912 eine Stiftung, die "Gertrud-Hensel-Stiftung". Mit dem Spendenbetrag von 25.000 Mark sollte der Volkspark erstellt und auch die Unterhaltung der Anlagen auf Jahrzehnte gesichert werden. Der Steg über die Lahn wurde zügig gebaut Geheimrat Hensel übergab gemäß der Stiftungsurkunde die stattliche Spendensumme dem Marburger Spar- und Bauverein. Mit Hilfe dieses Vereins sollten die Projekte Volkspark und Lahnsteg verwirklicht werden. Aufsichtsratsvorsitzender Professor Dr. André, mit der Familie Hensel gut bekannt, richtete daraufhin am 10. Mai 1912 - unmittelbar nach Unterzeichnung der Stiftungsurkunde - folgendes Schreiben an Oberbürgermeister Troje:
"Besprechung mit Kurator u. Prof. André fand an Ort und Stelle statt. Gewünscht wird, die Stadt soll der Universität einen Teil ihres Bauhofs zur Arrondierung der Universitäts-Spielplätze zur Verfügung stellen gegen übliche Pacht, außerdem die Abbruchskosten für den Schuppen für etwa 2000 M. erhalten. Ferner soll die Stadt der Baugenossenschaft für die Hensel-Stiftung den Rest der Barschaft zur Verfügung stellen für die Jugendpflege, der Anbau kann stehen bleiben und An- und Auskleideräume erhalten." Anfangs stieß die Errichtung eines neuen Steges über die Lahn mit dem als Bauherren vorgesehenen Marburger Spar- und Bauverein bei Oberbürgermeister Troje nicht auf volle Zustimmung. Am 20. Mai 1912 legt Troje in einer Notiz dar, dass er Bedenken habe, dass Gelder der Stiftung für die Anlage eines Weges und den Bau eines Steges verwandt würden. Doch es dürfte vor allem Prof. Dr. André gewesen sein, der nicht nur - wie er bereits in seinem Schreiben an Oberbürgermeister Troje festlegte - aus dem Stiftungskapital die Gelder für den Steg herausnehmen, sondern auch die Bedenken der Stadt ausräumen konnte. Ab dem Herbst 1912 stand der Errichtung des neuen Steges über die Lahn nichts mehr im Wege. Wohl auf Antrag des Spar- und Bauvereins wurde Professor Dr. André am 2. Oktober 1912 mitgeteilt, dass dem beim städtischen Bauamt beschäftigten Techniker Kummer die Bearbeitung des Projekts eines Steges über die Lahn als Nebenbeschäftigung genehmigt sei. Der Magistrat fügte allerdings hinzu: "Eine besondere Beurlaubung hierfür war leider nicht angängig, da die Arbeiten des städtischen Bauamts zu sehr an-gewachsen sind." Aufnahme des neu erbauten Steges ca. 1917 (Foto Marburg) Nur wenige Tage später ging beim Bauamt der offizielle Antrag ein:
Im Januar 1913 müssen nicht nur die Baupläne, sondern auch die finanziellen Aspekte durch Einholung von Kostenanschlägen so weit gediehen sein, dass der Marburger Spar- und Bauverein für den Stegbau zwar die Stiftungsmittel einsetzen wollte, aber gleichzeitig an die Stadt herantrat, den Bau des Steges finanziell zu unterstützen. In einem Schreiben des Marburger Bau- und Sparvereins vom 12. Januar 1913 hieß es:
Blick über den Steg ca. 1968 (Foto Sammlung Karl-Heinz Gimbel) Noch im Februar wurden rechtliche Fragen wie Haftung, Regelung von Schäden usw. geklärt. Der Vorstand des Marburger Spar- und Bauvereins übermittelte am 14. Februar 1913 der Stadt eine angeforderte Verpflichtungsurkunde mit folgendem Wortlaut:
Über das Auswahlverfahren des Marburger Spar- und Bauvereins, welche Firma den Stegbau durchführen sollte, liegen keine Unterlagen vor. Das Verfahren muss jedoch zügig vorangeschritten sein, denn eine Aktennotiz besagt, dass der Bauunternehmer W. Münscher am 3. Juli 1913 der Stadt mitteilte, er "habe heute mit den Arbeiten für den Steg über die Lahn" begonnen. Diese Mitteilung musste das Bauamt überrascht haben. Am 7. Juli 1913 schrieb das Bauamt an den Marburger Spar- und Bauverein:
Genauere Angaben über die Errichtung des Hirsefeldsteges sind nicht vorhanden, da auch die Bauakten der Firma Münscher aus den Jahren vor dem 1. Weltkrieg nicht mehr erhalten sind. Akten zum Unterhalt und zu den Reparaturen des Steges finden sich bei den Unterlagen der Stadt Marburg erst ab den Jahren, nachdem der Steg in das Eigentum der Stadt übergegangen war. ... ... |