Kleine Reihe von Marburg, Band 3:
Marburger Holzbrücken
über die Lahn im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts
Verkaufspreis: 4,00 Euro
56 Seiten, Format DIN A5, 25 Abbildungen
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Kapitel 1
Drei Steinbrücken überquerten in Marburg bis 1900 die Lahn
Weidenhäuser Brücke - Elisabethbrücke - ab 1892: Schützenpfuhlbrücke
Kapitel 2
Gaswerkbrücke
Vertrag von 1879 - Neubau im Jahr 1924 - Das Ende des Stegs kam 1947
Kapitel 3
Schülerparkbrücke
Zuerst nur von Ufer zu Ufer - 1933 Holzsteg auf Betonsockeln - 1971 Betonbrücke
Kapitel 4
Hirsefeldsteg
Geheimrat Hensel stiftet Steg - Verlängerung zum Olympia 1924 -1998 Beschluss für einen Neubau aus Beton und Stahl
Kapitel 5
Pioniersteg
SA baut Notsteg - Pioniere verlängern Steg - Jahrhunderthochwasser bringt das Ende
Kapitel 6
Schwarzes Brückchen
Deutscher Orden überbrückt das "Schwarze Wasser" (Mühlgraben) bereits im Mittelalter - ab 1913 gemauerte Brücke - 1961 verrohrt
Literaturverzeichnis und Fotonachweise
Hier Textproben:
Vorwort
Die Historie der Brücken über die Lahn in Marburg taucht in den Darstel-lungen der Marburger Geschichte - wenn überhaupt - nur am Rande auf. Details aus der Geschichte der beiden Steinbrücken Weidenhäuser Brücke und Elisabethbrücke hat Wilhelm Bücking, der Nestor der Mar-burger Lokalhistoriker, in seinen Forschungen aufgeführt. Seine Angaben sind Grundlage der Ausführungen im ersten Kapitel dieses Heftes. Über die Holzbrücken und Stege hat Bücking keine Daten überliefert. Auch bei späteren Historikern von Marburg sind Daten und Fakten zur Entstehung und Nutzung der Marburger Holzbrücken nicht auffindbar.
Die Holzstege über die Lahn wurden als Folge der kaiserzeitlichen Stadterweiterung um 1900 zwischen den kilometerweit auseinander liegenden Steinbrücken errichtet. Genutzt wurden sie von den Bürgern, die auf der anderen Seite der Lahn ihre Kleingärten mit Gemüsebeeten und teilweise auch Obstbäumen angelegt hatten. Für sie waren kurze Zugangswege zu ihren Kleingärten von Bedeutung, die sie, einem Hand-wagen hinter sich herziehend, oft ansteuerten.
Für den Magistrat waren die Holzstege eine Belastung. Sie waren Kostenträger. Drei der in dieser Broschüre vorgestellten Holzstege waren nicht auf Initiative der Stadt Marburg erbaut worden. Aber jeweils einige Jahre nach der Errichtung hatte die Stadt die Trägerschaft der Stege übernommen und musste für die Unterhaltung sorgen.
Oft wurden notwendige Reparaturen hinausgeschoben. Mehrmals hatte danach das nächste Hochwasser verheerende Wirkungen. Die Holzbrü-cken stürzten ein oder mussten wegen Baufälligkeit gesperrt werden. Dagegen wehrten sich die Bürger über Jahrzehnte mit Eingaben und Protesten. Doch kurz nach dem 2. Weltkrieg war für zwei der Holzbrücken nach schweren Hochwasserschäden ein Wiederaufbau wegen fehlender Mittel nicht möglich.
Einzig der Schülerparksteg überlebte die Katastrophe von 1946. Er wurde nach dem Bau der B3 durch einen Betonsteg ersetzt. Im Jahr 2010 traf den Hirsefeldsteg, der über fast hundert Jahre allen Hochwassern trotzten konnte, das gleiche Schicksal. Trotz Protesten wurde er gegen einen modernen Steg ausgetauscht.
Holzstege sind vergänglich. Das Anliegen dieses kleinen Bandes ist es, die Vergangenheit der einst für viele Marburger wichtigen und oft auch geliebten Holzbrücken in der Erinnerung zu bewahren.
Marburg, im November 2010
Der Autor
Kapitel 1
Historische Steinbrücken über die Lahn in Marburg
Die Weidenhäuser Brücke
Im Mittelalter gab es nur eine Brücke von Marburg aus über die Lahn, die Weidenhäuser Brücke. Sie wurde 1250 erstmals in einer Urkunde erwähnt. Sophie von Brabant erlaubt darin dem Franziskushospital die Fischerei "von der Mühle, die die Mühle des Elwinus heißt [Anm.: Elisabethmühle] in die Lahn bis zu der Mühle oberhalb der Steinbrücke, welche über den Unterlauf des Flusses führt [Anm.: Herrenmühle]."
Diese mehrbogige Brücke, über die es keine Bauunterlagen gibt, war die Verbindung von der Stadt zu dem "Brückenvorort" Weidenhausen, Die Stadt Marburg lag seit dem Mittelalter unterhalb des Schlosses, von ei-ner Stadtmauer geschützt. Der Vorort Weidenhausen war seinerseits von Flutgräben umgeben. In späteren Plänen wurden sie erwähnt als Erlengraben, Pulvergraben und Lohgraben. Marburg war vom 13. Jahr-hundert an - von zwei Ereignissen abgesehen - für fast fünfhundert Jahre ein kleines unbedeutendes Städtchen und blieb mit dem größten Teil seiner Bebauung am Schlossberg kleben. Eine erste Bedeutung hatte der kleinen Stadt, die am Rande der Landgrafschaft Thüringen lag, im 13. Jahrhundert der Zuzug der verwitweten Landgräfin Elisabeth gegeben. Die Erhebung der Gebeine Elisabeths nach ihrem frühen Tod unter Anwesenheit des Stauferkaisers Friedrich II., ihre schnelle Heilig-sprechung, der zügige Bau der großartigen gotischen, zweitürmigen Elisabethkirche und die Rolle als Wallfahrtsort brachten erstmals Mar-burg für knapp hundert Jahre überregionalen Rang.
Erneut eine gewisse Aufmerksamkeit erlangte Marburg zur Zeit der Reformation durch die Tatkraft des Landgrafen Philipp des Großmütigen. 1529 rief der Landgraf die Reformatoren Luther, Zwingli und Melanchton in seine Geburtsstadt zum allerdings erfolglosen und wegen einer Epidemie abrupt abgebrochenen Versuchs einer Einigung. Dieses Treffen ist als "Marburger Religionsgespräch" in die Geschichtsbücher eingegangen.
Eine größere Geltung als Stadt für ein regionales oder gar überregiona-les Umfeld hat Marburg bis ins 19. Jahrhundert nicht erzielen können. Marburg war eine Stadt der Handwerker und Marktflecken für die umliegenden Dörfer. Selbst die 1527 gegründete Universität erlangte keine größere Bedeutung. So musste die Stadt sich noch im 19. Jahrhundert gefallen lassen, spöttisch als "Universitätsdorf" bezeichnet zu werden.
Für eine Stadt, am Berg gelegen, spielten Brücken über den Fluss nur eine untergeordnete Rolle. Eine Überquerung zu den Ortschaften auf der anderen Lahnseite und der Zugang zu den Marburger Märkten von dorther war durch die Steinbrücke aus dem 13. Jahrhundert gegeben. Über diese auch "Lange Brücke" oder "Stadtbrücke" genannte Verbindung lief zudem eine große West-Ost-Verbindung, die aus dem späteren Mittelalter als Köln-Leipziger Messestraße bekannt ist.
Der Brücke, so schildert es Bücking, setzten zwei Katastrophen zu. Am 10. Januar 1552 stürzte sie durch Hochwasser ein. 24 Menschen fanden den Tod. Gleichzeitig waren in Weidenhausen zwei weitere kleinere Steinbrücken über Flutgräben eingestürzt.
Eine dieser beiden Steinbrücken war das "Kleine Brückchen". Es lag in der Mitte des heutigen Stadtteils und trennte die Ortschaften Weidenhausen und Zahlbach. 1868 wurde nach der Trockenlegung des Flut-grabens das "Kurze Brückchen" abgebaut. Eine kleine Gasse in Weidenhausen führt noch heute den Namen "Kurzes Brückchen". Die zweite eingestürzte Steinbrücke, vor dem Ortenberg gelegen, wurde später "Ortenbergbrücke" genannt. Sie verband das Torhaus mit der unteren Sieche. Für den Wiederaufbau der wichtigen Verbindung durch Weidenhausen wurde 1553 Maurermeister Heinrich Krafft beauftragt, die "östliche Brücke vor Weidenhausen über den Erlengraben mit drei Bogen, 24 Schuh lang und 12 Schuh breit, für 1.000 Gulden zu bauen". Die wesentlich größere Stadtbrücke wurde, nachdem man lange Zeit die Furt durch die Lahn oder - gegen Bezahlung - Kähne benutzen musste, nach drei Jahren Bauzeit für 5.000 Gulden wieder errichtet.
Die zweite Katastrophe ereignete sich 1763. Am 31. Dezember kam es nach tagelangem unaufhörlichem Regen durch beträchtliches Hochwas-ser ("große Wasserflut") zum Einsturz des sog. Hexenpfeilers und der zwei mittleren Bogen der Weidenhäuser Brücke. Der alte Zustand der Steinbrücke wurde nicht wiederhergestellt, sondern man brachte 1766 eine Holzkonstruktion an. Erst 1892 - einem wichtigen Brückenbaujahr in Marburg - wurde die Steinbrücke mit weiten Segmentbögen in der heutigen Form neu gebaut.
Elisabethbrücke um 1800 (Holzstich, Foto: LAGIS)
Die Elisabethbrücke
Einen Weg von der Elisabethstraße durch das Elisabether Thor, 1829 abgerissen, zur Cölber Poststraße im Norden von Marburg gab es seit Jahrhunderten. Er führte über die Inseln, gebildet von der Lahn und den Mühlgräben, und weiter mit einer Furt als Durchquerung der Lahn ("Furthstraße"). Dilichs Karte von 1621 weist Brücken sowohl über einen Mühlgraben als auch über die Lahn auf. Über den westlichen Mühlgraben soll es schon seit dem 13. Jahrhundert eine Steinbrücke gegeben haben, die sog. "Hospitalbrücke". Die Brücke über die Lahn, 1661 "Speckbrücke" genannt, war hingegen eine leichte Holzkonstruktion, die nur für Fußgänger und die Schafherden des Deutschen Ordens passierbar war. Dem Orden oblag auch die Unterhaltung dieses Holzsteges.
Nachdem über ein halbes Jahrtausend Marburg mit einer einzigen Steinbrücke über die Lahn ausgekommen war, wurde im Jahr 1723 für die Verbindung im Norden von Marburg eine zweite Steinbrücke über die Lahn erstellt, die "Elisabethbrücke".
Wegen der ständigen Überschwemmungen im Bereich der Mühlgräben ("Saurasen" genannt) wurden 1830 die Straße zu der Steinbrücke höher gelegt und die beiden Mühlgrabenbrücken neu erbaut.
Die Errichtung einer zweiten festen Verbindung über die Lahn im 18. Jahrhundert hatte besonders für Weidenhausen eine negative Auswir-kung. Den Gewerbetreibenden des Brückenvororts, den Händlern, Handwerkern und Herbergen ging ein Teil der bisherigen Kundschaft verloren. Dies führte zu Protesten der Weidenhäuser Bürger. Sie blieben erfolglos.
1867 wurde die heutige Brücke gebaut, nachdem am 3. April 1850 die Strecke Kassel-Marburg der Main-Weser-Bahn dem Verkehr übergeben worden war. In den Akten wird sie als Elisabethbrücke geführt, wird aber heute zumeist Bahnhofsbrücke genannt.
1892 kam die Schützenpfuhlbrücke hinzu
Ab 1723 bestanden in Marburg etwa 150 Jahre lang mit der Weidenhäuser Brücke und der Elisabethbrücke zwei feste Überwege über die Lahn. Erst im Jahr 1892, dem gleichen Jahr, in dem die Weidenhäuser Brücke neu aufgebaut wurde und das Provisorium Holzverbindung ein Ende fand, entstand eine dritte Verbindung über die Lahn, die Schützenpfuhl-brücke, ebenfalls als massive Steinbrücke.
Die Schützenpfuhlbrücke war - wie der Neubau der Weidenhäuser Brücke 1892 - ein Entwurf von Stadtbaumeister Broeg. Innerhalb von neun Monaten wurde diese Brücke von hundert Meter Länge und sieben Meter Breite errichtet: Die Baukosten erhöhten sich von angesetzten 90.000 Mark auf 150.000 Mark. Sie stellte die lange Zeit geforderte hochwassersichere Verbindung vom Süden Marburgs in Richtung Cappel her.
Sie wurde in den letzten hundert Jahren zweimal erweitert. Auf dem Fo-to der Brückenunterseite kann man die drei Bauphasen erkennen:
- 1892 mit der Breite von 7,20 m (in der Mitte)
- 1934 mit der Verbreiterung auf 10,50 m (linke Seite)
- 1992/93 erfolgte eine Verbreiterung auf 16,50 m (Foto rechte Seite),
ausgeführt in Betonbauweise für eine Viertelabfahrt der B3.
Die Verbreiterung von 1934 diente dazu, den Durchgangsverkehr der Reichsstraße 3, der bisher über Frankfurter Straße, Rudolphsplatz, Pilgrimstein zur Bahnhofstraße lief, aus der Innenstadt herauszuhalten und östlich der Lahn zu führen. Gleichzeitig war eine neue Umgehungsstra-ße (Hindenburg-Ring, heute: Krummbogen) zur Schützenpfuhlbrücke gebaut worden.
Weitere Steinbrücken wurden in Marburg bis lange nach dem 2. Welt-krieg nicht gebaut, obwohl es bereits vor dem 1. Weltkrieg Forderungen für weitere Lahnbrücken gab. So erarbeitete schon 1913 das Stadtbauamt Planungen zum Bau einer "Ortenbergbrücke" bzw. "Biegenbrücke" in Verlängerung der Biegenstraße zum Krummbogen. 1924 unterschrieb sogar Oberbürgermeister Troje eine förmliche Planfeststellung für den Bau. Und noch 1971 beschäftigte sich die Stadtverordnetenversammlung mit dem Projekt eines "Halbanschlusses" durch eine Brücke von der verlängerten Biegenstraße zur neuen B3a hin. Doch zu einer Realisierung kam es in keinem Fall.
Die drei Steinbrücken über die Lahn, die Marburg um 1900 besaß, reich-ten für die Bedürfnisse. Jenseits der Lahn war Acker- und Weideland. Es gab, abgesehen von Weidenhausen, keine städtische Bebauung.
Doch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte sich in der Stadt Marburg eine Veränderung vollzogen. Nach 1866, als Kurhessen zu Preußen kam, prosperierte die Stadt. Über Jahrhunderte hatte sich die Stadt kaum über die mittelalterliche Ummauerung hinaus entwickelt. Marburg war nicht - wie es die heutige Namensnennung angibt - die "Stadt an der Lahn", sondern die "Stadt am Schlossberg". Die Stadt weitete sich aus nach Norden in Richtung auf den 1848 gebauten Bahnhof und nach Süden in Richtung Ockershausen. Ab 1873 wurden Straßenzüge in Richtung Lahn, aber ausschließlich rechts der Lahn geplant. Es entstanden Südviertel, Nordviertel, Biegenviertel und Kliniksviertel.
Jenseits der Lahn wurden ab 1900 von den Bürgern Kleingärten ange-legt, eine Wohnbebauung setzte wesentlich später ein. Holzbrücken verkürzten die Wege dorthin. Sie wurden bis nach dem 2. Weltkrieg benutzt und verschwanden danach. Mit dem nun folgenden Bericht über diese Holzbrücken sollen die bisher ungeschriebene Geschichte und die Geschichten um diese Stege der Nachwelt erhalten bleiben.
Wohl neben dem Hirsefeldsteg (Stadionsteg) die bekannteste Holzbrücke,
der Schülerparksteg (Aufnahme ca. 1930, Foto: Unkel)
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